Freitag, 8. April 2016
Ich sehe, was ich glaube
Ich richte mich heute an euch Optimisten:

Ich war einer von euch. Viele Jahre. Aber das ist lange her. Ihr glaubt an das Licht in der Nacht. Ihr glaubt an die Sonne nach dem Regen. Ihr glaubt daran, weil ihr es seht. Ihr seht das Licht in der Nacht. Ihr seht die Sonne nach dem Regen. Ihr seht das Gute, wo ich Schlechtes vermute.

Es spielt keine Rolle, ob da wirklich Licht in der Nacht ist. Es spielt keine Rolle, ob die Sonne wieder scheint, nachdem es geregnet hat. Das ändert nichts an eurer Stimmung. Das ändert auch nichts an eurem Glauben. Ihr seid glücklich, weil ihr etwas seht, woran ihr glaubt und dann auch daran glaubt, was ihr seht.

Aber eigentlich, ganz eigentlich ist das genauso bescheuert, wie nur an das zu glauben, was man sehen kann. Ihr seht nicht das, was wirklich ist, sondern ihr seht das, was euch glücklich macht. Ich sehe kein Licht in der Nacht und ich hab keine Ahnung, ob die Sonne irgendwann wieder scheint.

Ich bewundere euch trotzdem, ihr Optimisten. Ihr seid glückliche Menschen und das obwohl das Glück gar nicht zwingend da sein muss. Ihr seht dieses Glück trotzdem. Vielleicht könnt ihr mir zeigen, wie das geht. Vielleicht war ich früher gar kein Optimist, sondern vielleicht war ich einfach ein glücklicher Mensch. Ich habe vielleicht gar nicht nur Glück gesehen, wo in Wirklichkeit keines war. Vielleicht hab ich auch nur einfach das Glück gesehen, das wirklich da war. Das Glück, das wirklich existiert hat.

Kann ich mit meiner Vergangenheit nicht erst dann wirklich abschließen, wenn die Gegenwart mir entsprechend was zu bieten hat?

Meine Gegenwart hat mir nichts Entsprechendes zu bieten. Ich glaube, depressiv ist man dann, wenn man der tiefen Überzeugung ist, dass die Vergangenheit schöner war als die Gegenwart ist. Und wenn man die schönsten Tage der Vergangenheit und nicht der Gegenwart zuordnet.

Mag sein, dass ich Depressionen habe. Vielleicht ist das eines Tages anders.

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Samstag, 19. März 2016
Bei 130 ist Schluss
Meine heutige Deutsch-Klausur:

Ich sagte noch zu meinem Bruder: "Ich fahre schon manchmal knapp 200 km/h, aber nur, wenn es mir erlaubt ist und wenn ich alleine im Auto bin." An jenem Tag saß ich aber mit Max im Mietwagen und habe Gas gegeben: 180 km/h - 200 km/h - 220 km/h - 228 km/h
Ist das fahrlässig? Ist das mutig? Ist das Umweltverschmutzung? Ist das einfach der Adrenalin-Kick?
Deutschland steht für Ordnung, Sicherheit und vor allem für Massen von Schildern und Regeln. Und ausgerechnet in unserem Land ist es auf vielen Autobahnabschnitten erlaubt, sehr schnell zu fahren. Ich bin mir sicher, dass gerade Deutschland eine solche Regelung nur dann aufstellt, wenn es seiner Risiken bewusst und dem Erhalt der Ordnung zuträglich ist.
Ich kenne die Gegenargumente: Es gäbe weniger Todesfälle bei Autounfällen. Mein Lösungsvorschlag: Das Tempolimit auf 50 km/h auf allen Straßen heruntersetzen, dann gäbe es noch weniger Todesfälle bei Autounfällen oder eigentlich noch besser wäre es, das Autofahren generell zu verbieten, weil es dann überhaupt keine Todesfälle bei Autounfällen mehr gäbe. Ich bin ehrlich, dieses Argument überzeugt mich nicht. Denn ich kann mich immer fragen: Wo ziehe ich die Grenze? Und ist diese Grenze dann wirklich an der richtigen Stelle gesetzt? Was macht eine Stelle zu einer richtigen Stelle?
Ein anderes Gegenargument beschreibt die höhere Umweltbelastung. Ist auch wieder diese Sache mit dem "richtigen Setzen einer Grenze", aber trotzdem stichhaltiger. Die Umweltbelastung ist eindeutig höher bei höheren Geschwindigkeiten. Aber bevor ich jetzt die Autobahnausfahrt in Richtung "Wir sollten ein Tempolimit einführen" nehme, fahre ich lieber mit hoher Geschwindigkeit weiter in Richtung "Lasst den Autofahrern doch ihre Freiheit".
Gerade in unserem Land sind wir durch Gesetze und Regeln so eingeschränkt, dass ein "erlaubtes Rasen" hier nicht hineinzupassen scheint und gerade deshalb ist es - ohne Hohn und Spott - ein Privileg für die Autofahrer.
Man sollte eben sehr aufpassen bei der Auswertung von Unfallstatistiken! Wie viele Verkehrsopfer sind dann noch übrig, wenn wir nur die betrachten, die ums Leben gekommen sind, weil an ausdrücklich erlaubten Stellen schnell gefahren wurde und daraus ein Unfall resultierte? Jedes Unfallopfer ist eines zu viel. Wir müssen die Statistiken, mit deren Hilfe wir argumentieren, trotzdem sorgsam beurteilen.
Bevor ich zu meinem letzten, aber wichtigsten Argument komme, noch ein kleines zwischendurch: Unsere Welt hat an Geschwindigkeit zugenommen, ganz deutlich. Wir alle haben jeden Tag tausend Termine, zu denen wir pünktlich erscheinen wollen oder müssen. Das Rasen auf bestimmten Streckenabschnitten erlaubt zu lassen, trägt zu dieser Entwicklung bei, weil wir schneller von A nach B kommen.
Und ich sage es ausdrücklich dazu: Ob das gut oder schlecht ist, dass unser Leben immer schneller wird, ist jetzt nicht Gegenstand meiner Aussage, nur d a s s es so ist, darüber müssen wir nicht streiten.
Ich arbeite in der Tourismusbranche. Ich verdiene mein Geld damit, dass Menschen reisen. Viele Menschen reisen nach Deutschland, um erlaubt rasen zu dürfen. Diese Menschen, wir wissen nicht genau, wie viele es tatsächlich sind, kurbeln unsere Wirtschaft an. Das erlaubte Rasen ist ein Alleinstellungsmerkmal unseres Landes und als Medienfachwirt und Touristiker will und muss ich das unterstützen, dass uns dieses Alleinstellungsmerkmal erhalten bleibt!
Ich saß an jenem Tag also nicht alleine im Auto und trotzdem bin ich sehr schnell gefahren. Und da endet diese kleine Geschichte aber auch, nicht mit einem Unfall. Die Dinge auf dieser Welt gehen viel öfter gut aus und nicht schlecht - vergessen wir das nicht!

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Samstag, 20. Februar 2016
Die Welt mit anderen Augen sehen
45 Minuten Deutsch-Unterricht. Wir sollen Stellung dazu nehmen, ob ein junger Mensch nach der Ausbildung wegziehen oder zuhause bleiben sollte. Das habe ich getan.

Ich hätte in Hamburg studieren wollen. Berlin, München und Köln waren auch in Frage gekommen. Letztendlich hatte ich mich aber für Stuttgart entschieden, weil ich nicht ohne meine Freundin sein wollte.
Nicht zuletzt wegen der eigenen Entscheidung kann ich es nachvollziehen, wenn junge Menschen nach der Schule oder Ausbildung in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Dennoch sehe ich es als Bereicherung, in dieser entscheidenden Phase im Leben erst einmal "das Weite zu suchen".
Stichwort Selbstständigkeit: Um im Leben zurechtzukommen, hilft es, seine Wäsche selbst zu waschen, seine Einkäufe selbst zu erledigen und sein Essen selbst zu kochen und nicht vor jeder Entscheidung Mama oder Papa zu fragen.
Es ist mein Leben. Es ist meine Verantwortung. Es sind meine Entscheidungen. Diese selbst zu treffen, macht mich selbstständig und gibt mir Kraft für die Aufgaben des Alltags.
Stichwort Selbstfindung: Ich bin der Überzeugung, dass eine der wichtigsten Fragen des Lebens ist "Wer bin ich?" Was mache ich anders als die Anderen? Wie gehe ich mit einer Niederlage um? Was macht mich stark? Unzählige Fragen, die sich um mich selbst drehen, nicht um mein Umfeld, um meine Heimat oder um meine Familie. Von zuhause wegzuziehen kann dazu beitragen, sich selbst zu finden.
Aber vor allem erweitert ein Umzug in eine andere Stadt unseren Horizont. Wir sehen die Welt mit anderen Augen und sehen mit unseren Augen eine andere Welt. Wir dürfen Erfahrungen machen, die uns sonst verwehrt bleiben würden. Meine zweite Freundin ist nach ihrem Abitur nach Berlin gezogen. Wir haben heute keinen Kontakt mehr, weil sie eine andere Welt entdeckt, zu der ich nicht mehr gehöre.
Ich habe zwei sehr prägende Erfahrungen gemacht, was das Thema "wegziehen" angeht: Einmal wollte ich nicht weg aufgrund der Beziehung und einmal ist sie weg trotz der Beziehung. Und trotzdem glaube ich an die Bereicherung, die ein Wegzug mit sich bringt.

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